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Unser Vorwort:
Professor Zhang Qizhi
trug 1988 auf einer Tagung in Deutschland fünf Thesen zur Aktualität
des Konfuzius vor. Er war zur Zeit der Tagung 1988 Rektor der Nord-West-Universität
Xi'an und Vorstandsmitglied der 1984 gegründeten Chinesischen Konfuzius-Stiftung
mit Sitz in Bejing (Peking). Diese fünf Thesen betreffen die
Kulturtradition der Menschheit, den Pluralismus der Kultur, die
moralische Psychologie des Konfuzius, den Rationalismus des Konfuzius
in Beziehung auf die Naturwissenschaften und das historische Sendungsbewusstsein
des Konfuzius in Beziehung auf die gegenwärtige Welt.
Nachdem Konfuzius selber der Ansicht war, dass Lernen kein direktes
Ziel kenne, hat Professor Zhang Qizhi in erfrischender Weise darauf
aufmerksam gemacht, dass Lernen auch frei vom Aspekt der Herkunft
ist. Konfuzius wird damit zum "atopos" (altgriechisch),
zum Ortlosen, wie auch Sokrates seinerzeit bezeichnet wurde. Professor
Zhang Qizhi erweitert unsere Aufmerksamkeit und verweist auf die
Ähnlichkeit von Konfuzius, Sokrates und Kant. Dieser Vergleichbarkeit
und dem Sinn solcher Vergleiche soll auf dieser Webseite besonders
nachgegangen werden. Und der Vortrag von Professor Zhang Qizhi mit
seinen fünf Thesen erscheint uns als geeignete Eröffnung einer gedanklichen
Wanderschaft, die uns überall dort verweilen lässt, wo sich Konfuzius,
Sokrates und Kant begegnen.
Westen und Osten sind zwei Holzstäbchen, mit denen wir aus einer
Reisschale voller Geschichte essen. Dazwischen ist ein Weg.
Quelle: Silke Krieger,
Rolf Trauzettel (Hrsg.), "Konfuzianismus und die Modernisierung
Chinas", v. Hase & Koehler Verlag, Mainz 1990, S. 234-241 (mit Hervorhebungen
und verändertem Layout und aktualisierter Rechtschreibung von uns,
Informationen zur Tagung und weiteres siehe unten) - auch als pdf
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Nordwest-Universität,
Xi'an, China
eine der vielen neuen
Gründungen
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DAS GEDANKENGUT VON KONFUZIUS
UND DIE GEGENWÄRTIGE WELT
von Zhang Qizhi
Wie alle Kulturgrößen der
Welt gehören Konfuzius und sein Gedankengut nicht nur China, sondern auch
der ganzen Menschheit. Wissenschaft und Gedanken kennen keine Staatsgrenzen
und werden wohl nicht mit dem Verfließen der Zeit untergehen. Die Menschen
auf der Erde, ganz gleich in welchem Staat und welcher Nationalität, in
Vergangenheit und Gegenwart, stoßen in ihrer Entwicklung auf gleiche Probleme.
Die Denker können mitunter gleiche Ansichten zu deren Lösungen äußern.
Konfuzius ähnelt in manchem Sokrates und Immanuel Kant. Kurzum,
das menschliche Denken kann in einem bestimmten Maße Zeit und Raum überschreiten.
Wenn wir heute die Beziehungen
zwischen dem 2500 Jahre alten Denken des Konfuzius und der modernen Welt
untersuchen, so ist dies zweifellos ein dem logischen Denken angemessenes
Thema von aktueller Relevanz. In welchem Zusammenhang steht das konfuzianische
Gedankengut mit der gegenwärtigen Welt?
Ich vertrete folgende Ansichten:
Erstens: Wir müssen auf die Kulturtradition der Menschheit achten.
Seit vierzig Jahren haben die Wissenschaft und Technik große Fortschritte
gemacht. Die Erfindung der Kernwaffen hat Ansichten über den Krieg verändert.
Die friedliche Koexistenz zwischen Staaten mit verschiedenen Gesellschaftsordnungen
ist zu der Grundnorm und der notwendigen Bedingung für das menschliche
Dasein geworden. Je mehr sich die Menschen unter diesen Umständen der
Gegenwart zuwenden, um so leichter vergessen sie die Vergangenheit. So
kommt es dazu, dass in den Diskussionen über die Kulturen der Welt die
chinesische antike Zivilisation, die griechische antike Zivilisation und
die ägyptische antike Zivilisation usw. immer weniger erwähnt werden.
Sie scheinen veraltete Exponate in Museen zu sein und keine Lebenskraft
mehr zu haben. Daraus resultiert: Die Menschen suchen eifrig materielle
Genüsse und lassen die Bereicherung ihres geistigen Lebens außer acht.
Um dies zu ändern, rufen wir dazu auf, die antiken Kulturen der Menschheit
zu studieren. Wir sind dabei nicht von sehnsüchtigen Gedanken an die weit
zurückliegende Vergangenheit erfüllt, sondern wollen aus den geistigen
Reichtümern von Philosophen der älteren Generationen die für heute
nützlichen Nährstoffe in uns aufnehmen. (Ende Seite 234) In dieser
Hinsicht hat Konfuzius für uns einen Präzedenzfall geschaffen. Er
hat die Kulturen der Dynastien Xia, Shang und Zhou im alten China tief
und gründlich studiert. Damals lebte er im Reich Lu in Zentralchina. Der
Staat Lu war ursprünglich der östliche Eckpfeiler des Zhou-Reiches. Während
der Frühlings- und Herbstperiode (770-476 v. u. Z.) wurde er zu einem
Zentrum, in dem das traditionelle System von Riten und Musik bewahrt wurde,
so dass es damals hieß: »Die Riten der Zhou-Dynastie sind gänzlich bewahrt.«
Hier erwarb Konfuzius die traditionelle Kultur von Poesie, Geschichte,
Ritual und Musik und brachte sein eigenes Gedankensystem hervor. Er sah
»Das Buch der Lieder«, »Das Buch der Zeremonien und der Riten«, das »Shangshu«
und »Das Buch der Wandlungen« durch. Mithilfe alter historischer Aufzeichnungen
des Staates Lu kompilierte er die »Frühlings- und Herbstannalen«. Konfuzius
verlangte von seinen Schülern, nach reiflicher Überlegung aus antiken
Dokumenten der damaligen Zeit entsprechende Theorien zu erkennen. Er lobte
Zigong (sein Familienname war Duanmu, sein persönlicher Name war Si, und
sein Beiname Zigong): »Ich kann mit ihm über >Das Buch der Lieder< sprechen.
Wenn ich ihm Vergangenes sage, dann kann er zu richtigem Kommenden führen.«
(Siehe »Aussprüche und Gespräche des Konfuzius. Xue'er«) Hieraus kann
man ersehen, dass Konfuzius nicht konservativ war, sondern eine neue Kultur
aus der alten Kultur schaffen wollte. Alle hervorragenden Denker können
nur auf der Grundlage der vorherigen Kultur Neues erfinden, etwas schaffen
und voranschreiten. Dies ist ein allgemeingültiges Gesetz. Darum dürfen
wir, die wir in den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts leben
und das einundzwanzigste Jahrhundert begrüßen werden, keineswegs die frühere
Frucht der menschlichen Weisheit vergessen. Wir sollen sie analysieren
und studieren. Dadurch können wir neue der Gegenwart und Zukunft entsprechende
Kulturen entstehen lassen.
Zweitens: Wir müssen den Pluralismus
in der Kultur fördern.
In den letzten Jahren habe ich bei verschiedenen Anlässen Konfuzius' Anschauung
der Kultur als »harmonisch, aber nicht identisch« mündlich und
schriftlich klargemacht. Schon vor Konfuzius sagte man, die fünf Wandlungsphasen
Metall, Holz, Wasser, Feuer und Erde bildeten in ihrer Verbindung alle
Dinge der Welt. Ihrem Wesen nach waren Metall, Holz, Wasser, Feuer und
Erde verschieden. Durch ihre Verbindung wurden sie zu neuen Dingen. Diese
Methode nannte man »harmonisch«. Konfuzius entwickelte diesen Gedanken
weiter und begründete: »Der Gentleman ist harmonisch. Der Nichtwürdige
ist identisch, aber nicht harmonisch.« (Siehe »Aussprüche und Gespräche
und Gespräche des Konfuzius. Zilu«) Er hielt »harmonisch« und »identisch«
für das (Ende Seite 235) Kriterium, Edle und Nichtwürdige zu unterscheiden.
Er meinte, dass der Edle »die Harmonie« für die Regel hielt, aber anderen
nicht blindlings zustimmen wollte und eigene Ansichten zu äußern wagte.
Aber beim Nichtwürdigen verhielt es sich umgekehrt: Er schloss sich anderen
blindlings in jeder Hinsicht an und hatte keinen Mut, selbständig seine
Auffassung darzulegen. Diese Kulturanschauung »Harmonie, aber keine
Identität« erforderte die Zusammenfassung der Lehren der »Hundert
Schulen« und war gegen sektiererische Ansichten gerichtet. Sie trat dafür
ein, Kultur und Gedanken zu erneuern und selbständig zu denken. Diese
Position war nicht zufällig. Konfuzius lebte in der letzten Phase der
Frühlings- und Herbstperiode. Damals erschienen zwei Schulen, nämlich
die Konfuzianische Schule und die Mohistenschule. Sie wurden als »private
Schulen« bezeichnet, weil sich die Gelehrten dieser Schulen nicht auf
die Erbbeamtenschaft beschränkten, sondern sich auch an einen Teil des
gemeinen Volkes richteten. Nach Konfuzius entstanden viele Schulen in
der Zeit der Streitenden Reiche. Sie wurden »die verschiedenen Schulen
aller Denkrichtungen und ihre Repräsentanten von der Qin-Zeit bis zur
Frühen Han-Zeit« genannt. In dieser Periode waren die pluralistischen
Kulturen in China klar und deutlich erkennbar. Allgemein gesagt war es
so: Das Reich Lu war das Zentrum der konfuzianischen Schule und der Mohistenschule.
Die konfuzianische Schule propagierte ihre Lehre in den Reichen Jin, Wei
und Qi, während die Mohistenschule sich in den Reichen Chu und Qin verbreitete.
Die Taoistische Schule entstand in den unterentwickelten Reichen Chu,
Chen und Song im Süden und konnte später mit geflohenen Feudaladligen
vom Reich Chen in das Reich Qi eindringen. Die legalistische Schule entsprang
hauptsächlich in den drei Jin-Reichen. Mit der allmählichen Vermischung
der chinesischen Völker und den regen Kontakten zwischen verschiedenen
Reichen beeinflussten sich alle Schulen gegenseitig und lernten voneinander.
Folglich wirkten im »Wettstreit der Hundert Schulen« in der Periode der
Streitenden Reiche die Faktoren von gegenseitiger Förderung und Hilfe.
Die Rückblicke auf diese Phase der Geschichte zwingt uns umzudenken. Die
heutige Welt ist eine farbenreiche Welt. Alle Länder und Nationen haben
Beiträge zur menschlichen Zivilisation geleistet. Die Kultur jedes Landes
und jeder Nation hat ihr eigenes Gepräge. Wenn man diese Tatsache nicht
erkennen und andere Kulturen durch eine einzige Kultur ersetzen oder verdrängen
will, dann wird man Kulturen nicht vorwärtsbringen, sondern erdrosseln.
In der Formation der pluralistischen Kulturen der Welt muss man voneinander
lernen, sich das andere aneignen, untersuchen und debattieren. Das
erst ist die breite und ebene Straße zur Entwicklung der Weltkulturen.
(Ende Seite 236)
Drittens: Man muss die moralische
Psychologie von Konfuzius studieren.
Vor allem erklärte Konfuzius systematisch einige moralische Regeln und
meinte, dass sich die inhaltlich wichtigen Bestandteile von Humanität
(ren) »aus den fünf moralischen Regeln Respekt, Großzügigkeit, Vertrauenswürdigkeit,
Klugheit und Fürsorge für andere« zusammensetzen. Humanität heißt respektvoll,
bei jeder Aufgabe sehr gewissenhaft zu sein. Konfuzius sagte: »Mit >ren<
meine ich, andere nicht zu beleidigen.« . . . bedeutet, großzügig, anderen
gegenüber edelmütig zu sein. Konfuzius sprach: »Mit Großherzigkeit gewinnt
man Volksgenossen.« . . . bedeutet, vertrauenswürdig zu sein. Was man
sagt, das gilt. Konfuzius meinte: »Das Volk verlässt sich auf den Menschen
mit Vertrauenswürdigkeit.« . . . heißt alert und flink. Konfuzius sagte:
»Alertheit bringt Erfolge.« Unter . . . versteht man, überall für andere
zu sorgen und sich um andere zu kümmern. Konfuzius sprach: »Mit Fürsorge
lässt man andere für sich gute Taten vollbringen.« (s. »Gespräche«, Kap.
»Yanghuo«) Hieraus kann man ersehen, dass Konfuzius bei Analysierung der
praktischen Vernunft Moral und Verdienst vereinigte. Seiner Meinung nach
wird man gute Leistungen erzielen, wenn man sich gegenüber der Gesellschaft
und seinen Mitmenschen tugendhaft verhält. Das ist die Eigenart der konfuzianischen
praktischen Vernunft. Nach Konfuzius, im Laufe der historischen Entwicklung
des Konfuzianismus, wurden die konfuzianischen Moralregeln zu Höflichkeit,
Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Scham, Loyalität und Pietät, Humanität und
Liebe, Vertrauenswürdigkeit und Kameradschaft und Harmonie und Unparteilichkeit,
vier moralischen »Hauptstützen und acht moralische höchste Regeln« zusammengefasst.
Konfuzius pries das System der Westlichen Zhou-Dynastie. Er kritisierte
Ritual und Musik der Frühlings- und Herbstperiode wegen ihrer reinen Formalität
und ihres Mangels an realen Inhalten. Er meinte, Jade, Seide, Glocke und
Trommel seien nichts anderes als eine leere Schale von Ritual und Musik.
Er legte auf ihr inneres Wesen besonderen Wert. Deshalb befürwortete er,
in Ritual und Musik eher schlicht und sparsam als luxuriös und extravagant
zu sein und bei der Trauerfeier lieber dem tiefen Kummer als der Zeremonie
große Aufmerksamkeit zu schenken. Man kann sagen, dass Konfuzius der
erste Philosoph in der chinesischen Geschichte ist, der die moralische
Psychologie gefördert hat. Er lobte seinen Schüler Yanhui: »In seiner
Seele gab es drei Monate lang nichts, was >Humanität< verletzt hätte«.
Seiner Meinung nach war nämlich die Ideologie von Yanhui mit »Humanität«
über eine lange Zeit hinweg verbunden. Von Konfuzius stammt ein viel zitierter
Ausspruch: »Bei wem der Gehalt die Form überwiegt, der ist ungeschlacht,
bei wem die Form den Gehalt überwiegt, der ist ein Schreiber. Bei wem
Form und Gehalt im Gleichgewicht sind, der erst ist ein Edler.« (Aus »Gespräche«,
Kap. »Yong- (Ende Seite 237) ye«) Er tritt für Vereinigung und Harmonie
der Form von Ritual und Musik mit Gedanken und Gefühl ein. Das heißt,
Ritual und Musik sind nur von Bedeutung, wenn sie entsprechende Gedanken
und Gefühle ausdrücken. Die konfuzianische moralische Psychologie über
»die zutreffende Verbindung von Farbenpracht mit Schlichtheit« dient auch
heute noch als unser Thema. In westlichen Ländern beschäftigen sich einige
Gelehrte mit der Sozialpsychologie. Diese umfasst die Inhalte der moralischen
Psychologie. Die moralische Psychologie ist eher ein klassisches Studienfach,
nicht ein in den vierziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts entstandenes
Studienfach. Konfuzius ist sein Gründer. In der heutigen Welt braucht
man nicht nur das Moralgesetz zur Bewahrung der Menschenwürde und zur
Förderung der Harmonie zwischen den Menschen, sondern die moralische Psychologie
bewirkt auch, dass Gedanken und Gefühle moralisiert und Moralpsyche verinnerlicht
werden. Auf diese Weise kann das Moralgesetz voller Lebenskraft sein und
das anhaltend.
Viertens: Der Rationalismus
von Konfuzius und die Naturwissenschaft
Konfuzius begründete mit Aspekten wie Moral, Ethik, Studium und Selbsterziehung
die Bedeutung von Rationalismus und geschaffenen geistigen Reichtümern.
Diese tragen immer noch zur Entwicklung von Wissenschaft und Technik in
der gegenwärtigen Welt bei. Der Rationalismus im Denken von Konfuzius
ist sehr offensichtlich. Zum Beispiel: »Was man weiß, als Wissen gelten
lassen, was man nicht weiß, als Nichtwissen gelten lassen: das ist Wissen«.
(Aus: »Gespräche«, Kap. »Wei-zheng«). »Durch Studium des Alten gewinnt
man neue Einsichten. Schweigen und so erkennen, forschen und nicht überdrüssig
werden, die Menschen belehren und nicht ermüden« (aus: »Gespräche«, Kap.
»Shu'er«). »Durch Studien des Alten gewinnt man neue Einsichten.« usw.
Dies sind schlichte Aussagen zum wissenschaftlichen Rationalismus. Dieser
Rationalismus schränkt die Naturwissenschaften nicht ein, sondern fördert
sogar ihre Entwicklung. Aber der Konfuzianismus behandelt vor allem Probleme
der Moral und Ethik und schränkt so einige konfuzianische Gelehrte bei
der Untersuchung von Naturerscheinungen ein. Das ist Tatsache. Von der
Periode des Wei-Reiches bis zu den südlichen und nördlichen Dynastien
kann man klar sehen, dass das damalige Studium der Naturwissenschaft
als »Berichtigung der Abweichungen und gute Tat für die Gesellschaft«
erklärt wird. Diese Ansicht ist offensichtlich vom Konfuzianismus beeinflusst.
Der damalige große Mathematiker Liu Hui behauptete, dass er nur durch
Denkanstöße vom »Buch der Wandlung« die »Kommentare zu Arithmetik in neun
Kapiteln« verfasste. Die Texte und Darstellungen über die quantitativen
Gesetze im »Buch der Wandlung« gaben den antiken Naturwissenschaften in
China viel Inspiration. Der (Ende Seite 238) andere damalige große Mathematiker,
Zu Chongzhi, gewann durch Kreisabschneidung das exakte Pi (n-) bis an
die siebente Dezimalstelle und nahm den ersten Rang in der Welt ein. Er
studierte auch die konfuzianischen klassischen Werke und schrieb »Untersuchung
und Erklärung der Texte aus dem Buch der Wandlung«, »Kommentare zu dem
Buch der Pietät« und »Kommentare zu den Gesprächen des Konfuzius«. Solche
Beispiele lassen sich viel aufzählen. Die frühe konfuzianische Schule
und andere ideologische Schulen Chinas umfassten das dialektische Denken,
das die Naturwissenschaften vorantreibt: Zum Beispiel die »Goldene
Mitte« von Konfuzius, »Lehre zur Vermeidung der beiden Extreme« usw.
Dies sind konkrete Anwendungen des Denkens. Deshalb sagte der englische
Gelehrte Joseph Needham im dritten Band seines Monumentalwerks »Geschichte
der chinesischen Wissenschaft und Technik« folgendes: »Als Griechen und
Inder vor langer Zeit die formale Logik sorgfältig überlegten, zogen Chinesen
die dialektische Logik vor. (Darüber haben wir im zweiten Band schon vielmals
gesprochen.) Dementsprechend war es: Als Griechen und Inder die mechanische
Atomlehre entwickelten, entwickelten Chinesen die organische Kosmophilosophie.
In diesen Bereichen war >der Westen< elementar, aber China weitgehend.«
(s. S. 337 der chinesischen Übersetzung). Diese Erfahrungen verdienen
es, von uns gut zusammengefasst zu werden. Hierbei denke ich, wenn man
den Konfuzianismus veraltet und nutzlos sogar für die Gegenwart findet,
dann hat die Erforschung des Konfuzianismus keinen Sinn. Wenn wir die
Eigenarten und Gesetze des menschlichen Denkens, die sich im Rationalismus
des frühen Konfuzianismus Chinas widerspiegeln, für allgemeingültig halten,
dann können wir daraus die der Entwicklung der heutigen Wissenschaft und
Technik nützlichen Erkenntnisse entnehmen.
Fünftens: Das historische
Sendungsbewusstsein des Konfuzius und die gegenwärtige Welt
Zu allen Zeiten besitzen Denker ein starkes historisches Sendungsbewusstsein,
auch Konfuzius. »Einem Heer von drei Armeen kann man seinen Führer nehmen;
dem geringsten Mann aus dem Volk kann man nicht seinen Willen nehmen.«
(Aus »Gespräche«, Kap. »Zitan«) Er sagte weiter: »In der Frühe die
Wahrheit vernehmen und des Abends sterben: Das ist nicht schlimm.«
(Aus »Gespräche«, Kap. »Li Ren«) Die hier erwähnte »Zielstrebigkeit« und
»Doktrin« sind sein Ideal und drücken sein historisches Sendungsbewusstsein
durch philosophische Terminologie aus. Konfuzius stellte eindeutig das
Subjektbewusstsein fest. Er sagte: »Die Menschen können die Wahrheit
verherrlichen, aber die Wahrheit verherrlicht nicht die Menschen.«
(Aus »Gespräche«, Kap. »Wei Ling Gong«) Er stärkte das menschliche historische
Sendungsbewusstsein. Seine historische Mission und sein Ideal sind nach
seinen eigenen Worten: (Ende Seite 239) »Den Alten möchte ich Frieden
geben, mit Freunden möchte ich in Treue verkehren, die Kleinen möchte
ich herzen.« (Aus »Gespräche«, Kap. »Gong Zhi Zang«) Der Meinung Konfuzius
nach brauchte es eine große Anzahl von begabten Intellektuellen, um das
Ideal zu verwirklichen. Deshalb schenkte er der Ausbildung große Aufmerksamkeit.
Konfuzius war der erste Lehrer in der chinesischen Geschichte.
Der Überlieferung nach hatte er insgesamt 3000 Schüler, 72 davon waren
ausgezeichnet. Er initiierte die »Ausbildung ohne Klassenunterschied«.
Das heißt: Alle Menschen, ungeachtet ihres sozialen Status, dürfen in
die Schule gehen. Er betonte: »Durch Lernen kommt man zur Einsicht.«
Dies bedeutet, durch Kenntnisse als notwendige Methoden Borniertheit und
Übelstand zu beseitigen. Er trat für »Studium mit gleichzeitiger Praxis«
ein, verlangte die Einheit von Lernen und Handeln. Er war dafür, je nach
Studenten verschiedene Methoden zu verwenden, also »Studierende nach
ihrer Begabung zu fördern«. Er stellte auch das allgemeine Prinzip
auf: »Lernen und nicht denken ist nichtig. Denken und nicht lernen
ist gefährlich.« (Aus »Gespräche«, Kap. »Wei Zheng«) Der heutige Fortschritt
von Wissenschaft und Technik ist letztlich durch die Entwicklung der Erziehung
bestimmt. Die gegenwärtige Welt ist eine Welt voller Erziehungskonkurrenz.
Wir müssen die tiefgründigen Gedanken von Konfuzius über die Erziehung
studieren und forschen, damit die heutige Erziehung den Menschen noch
mehr Weisheit, Glauben und Lebenskraft geben wird. Gleichzeitig ist das
historische Sendungsbewusstsein auch für uns unentbehrlich. Für die
Gegenwart und Zukunft haben wir keinen einzigen Grund, pessimistisch zu
sein. Die Menschheit schreitet immer fort. Es ist unsere Aufgabe, für
den Fortschritt und das Aufblühen der Welt zu kämpfen.
Oben stehend habe ich den
Zusammenhang zwischen dem konfuzianischen Gedankengut und der gegenwärtigen
Welt in bezug auf fünf Aspekte einfach dargestellt. Zum Schluss möchte
ich einige Probleme in den Raum stellen.
1. In der heutigen Welt beginnen
die Wissenschaftler mancher fortschrittlicher Staaten, die Denkweise des
Weltraumzeitalters zu studieren. In welchem Zusammenhang steht diese Denkweise
mit den antiken Zivilisationen, zum Beispiel mit dem chinesischen Konfuzianismus?
2. Heutzutage spielen Wissenschaft
und Technik eine immer größere Rolle. Kann der Konfuzianismus Chinas zum
Fortschritt von Wissenschaft und Technik sowie zum Glück der Menschheit
beitragen?
3. In der gegenwärtigen Welt
braucht man ein hehres kulturelles Leben, Ideale und moralische Verbindlichkeit.
In welcher Beziehung stehen diese zum chinesischen Konfuzianismus? (Ende
Seite 240)
Natürlich spreche ich diese
Probleme vom makroskopischen Gesichtspunkt aus an. Was die Beziehung des
Gedankengutes von Konfuzius zur Modernisierung Chinas anbetrifft, so ist
dies ein die Menschen besonders interessierendes Thema. Die Forschung
und Lösung aller oben erwähnter Probleme werden uns zweifellos die Gegenwart
noch mehr lieben und mit größerer Zuversicht in die Zukunft schauen lassen.
(Ende Seite 241)
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Hinweis zur Tagung:
Zitat von: DIE GESCHICHTE
DER SINOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT IN BONN von Thomas Zimmer (1996)
"(...) Zusammen mit der
Konfuzius-Stiftung der Volksrepublik China veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung
vom 31.10. bis zum 2.11.1988 in St. Augustin bei Bonn ein Internationales
Symposium zum Thema: "Konfuzianismus und die Modernisierung Chinas". Einer
der Hauptorganisatoren und Mitherausgeber des später vorgelegten Sammelbandes
("Konfuzianismus und die Modernisierung Chinas", Mainz 1990), in dem die
wesentlichen Ergebnise der Konferenz veröffentlicht wurden, war neben
Silke Krieger Professor Trauzettel. Konferenzteilnehmer waren hundert
Wissenschaftler, Parlamentarier, Journalisten und Mitarbeiter von Fachorganisationen
aus der Bundesrepublik Deutschland, der Volksrepublik China, Taiwan, Singapur,
der Sowjetunion, den USA, Frankreich, Polen, Großbritannien usw. Entstanden
waren die Fragestellung und das Konzept für das Symposium während der
seit 1979 von der Konrad-Adenauer-Stiftung durchgeführten wirtschaftspolitischen
Dialogprogramme für chinesische und deutsche Wirtschaftspolitiker und
Fachleute. Nachdem im Juni 1987 eine Delegation der Chinesischen Konfuziusstiftung
an einem Fachgespräch in St. Augustin teilgenommen hatte und im August
1987 dann Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung als Teilnehmer die Internationale
Konferenz über konfuzianische Studien in Qufu besuchten, wurde schließlich
zu einem internationalen Konfuzius-Symposium in Deutschland eingeladen.
Eines der Ziele des Symposiums war die Beschäftigung mit der Frage, ob
der Konfuzianismus eine unterstützende Wirkung bei Reformprozessen in
Politik und Wirtschaft haben kann. Hier wurden in veschiedenen Beiträgen
(z.B. "Das Problem des Selbst im Konfuzianismus" [Kubin] oder "Tradition
und Moderne in der chinesischen Reformpolitik" [Scharping]) Formen aufgezeigt,
wie das konfuzianische Erbe bis in die Gegenwart hinein wirksam ist. Die
den Konfuzianismus betreffenen Fragen wurden auf der Konferenz kontrovers
diskutiert. Dem Neokonfuzianismus zuneigende Wissenschaftler wie etwa
Wu Teh Yao oder Tu Wei-ming messen dem Konfuzianismus eine bedeutende
Rolle im Modernisierungsprozess ostasiatischer Staaten einschließlich
China zu. Manche Wissenschaftler sprechen von der "konfuzianischen Demokratie"
als einem eigenständigen asiatischen System. Deutsche Sinologen dagegen
äußerten sich diesbezüglich eher skeptisch. Sie wiesen darauf hin, dass
der Konfuzianismus vor allem einer Staatslehre ermangele, weil in ihm
Staat und Gesellschaft als eine Einheit aufgefasst werden. (...)"
mehr/Quelle...
---
Weitere Literatur von Zhang
Qizhi:
Luo Guojie & Zhang Qizhi (eds.),
Oriental ethics and youth education [Dongfang lunli daode yu qingshaonian
jiaoyu] (Shanghai: Shanghai Education Press, 1994)
Zhang Qizhi, Bai Ming, Liu
Baocai & Li Yingke (ed.), 1993. Wuqian Nian Xiemoi: Huangdi ji Huangdiling
shiliao huibian. Xi’an: Xibei Daxue Press.
Zhang Qizhi (ed.), 1993. Wuqian
Nian Xiemai. Xi’an: Xibei Dame Press.
China Confucius Foundation
and Singapore East Asian Philosophy Institute. Papers of the international
symposium on Confucianism. Jinan, Qi Lu Book Club, 1989.
China Confucius Foundation.
Selected papers at the symposium in commemoration of the 2,540th birthday
of Confucius. Shanghai, Sanlien Bookstore, 1992
China Confucius Foundation:
- mehr
- mehr
- mehr - .
Sachbücher zur Modernisierung:
Geist, Beate: Die Modernisierung
der chinesischen Kultur, Hamburg 1996, 324 S. Das Buch behandelt die Kulturdebatte
und den kulturellen Wandel im China der achtziger Jahre. - mehr
-
Müller, Sven-Uwe: Konzeptionen
der Menschenrechte im China des 20. Jahrhunderts, Hamburg 1997, 367 S.
Darstellung chinesischer Menschenrechtsvorstellungen, wie sie sich unter
dem Einfluss der eigenen Tradition und westlichen Ideengutes entwickelt
haben. - mehr
-
Senger, Harro von: Einführung
in das chinesische Recht, München 1994. - mehr
- mehr - mehr
- mehr
-
Weggel, Oskar: Alltag in China.
Neuerungsansätze und Tradition, Hamburg 1997, 273 S. Die materielle Seite
des Alltags, Stationen der Lebensreise, Mann und Frau, Beruf und Freizeit,
Politik, Kultur und Religion im Alltag sind Themen, die in diesem Buch
angesprochen werden.. - mehr
- Kontakt
- mehr - mehr
- mehr/pdf
-
Familienromane:
Ba Jin: Die Familie, Berlin
1980 (Originaltitel: "Jia", 1931), 440 S. Der Schlüsselroman
aus den zwanziger Jahren schildert die Auseinandersetzung der damaligen
Jugend mit dem Konfuzianismus - mehr
- mehr
-
Lao She: Vier Generationen
unter einem Dach, Gebundene Ausgabe - 1101 Seiten - Unionsverlag, 1998
- mehr -
Film:
DIE FAMILIE (THE FAMILY /
JIA) Spielfilm-Adaption nach dem gleichnamigen Roman von Ba Jin (1931)
VR China 1956; Regisseur: Chen Xihe, Ye Ming; 121 Minuten, schwarz-weiß,
in chinesischer Sprache mit englischen Untertiteln
DER BLAUE DRACHEN (THE BLUE
KITE / LAN FENGZHENG) Familiendrama vor den historischen Begebenheiten
der 50er-, 60er- und 70er Jahre, VR China 1993; Regisseur: Tian Zhuangzhuang;
133 Minuten, deutschsprachige Version
Links:
Northwest
University, Xi'an 710069, Shaanxi, China --- englische
Version
School
of Humanities and Social Science - Shanghai, China
The
China Confucius Society / Yunnan
2001
Konfuzius-Gesellschaft/Richard
Wilhelm
Konfuzius online: - mehr
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